Dieser Artikel wurde von unserem Director User Experience & Accessibility-Experten Daniel Ludes verfasst und am 24.02.2025 auf Medium veröffentlicht.
Wie erleben Menschen mit Dyskalkulie Dein digitales Produkt?
Vielleicht hast Du noch nicht darüber nachgedacht – aber genau das könnte der Schlüssel sein, um die Reichweite und Nutzerzufriedenheit Deiner digitalen Produkte zu steigern. Denn die Dyskalkulie betrifft nicht nur Wenige, sondern schätzungsweise 7% (ca. 1 von 14 Personen) der Bevölkerung (Quelle 1,2). Sie beeinträchtigt die Fähigkeit, Zahlen zu verstehen und zu merken (Nummern, Pins, Geburtstage), Zeiten zu lesen (Termine, Zeittabellen) oder auch Mengenangaben in Kochrezepten zu erfassen. Die täglichen Herausforderungen reichen von der Nutzung von Online-Banking-Apps, Kalendern-Features bis hin zu Bestellformularen. Für Unternehmen, die digitale Produkte anbieten, ist es entscheidend, diese Nutzergruppe nicht auszuschließen.
TL;DR? Alle Key Infos findest du unten bei “Facts & Figures”
Das Business Potenzial von Barrierefreiheit.

(Quelle Bild: 3, 4, 5, 6)
Im digitalen Zeitalter ist User Experience (UX) ein zentraler Erfolgsfaktor für Produkte und Dienstleistungen. Wenn Du ein Produkt entwickelst, das benutzerfreundlich und inklusiv ist, erweiterst Du Deinen potenziellen Markt und stärkst darüber hinaus auch Deine Marke.
Nicht barrierefreie Lösungen können zu verlorenen Kund:innen führen, da Nutzer:innen oft abspringen, wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen. Im Wettbewerb um Kund:innen kann bereits ein schlechter Eindruck reichen, um eine eigentlich interessierte Person an den Wettbewerb zu verlieren. Für Unternehmen bedeutet das: Eine breite und inklusive UX ist kein „Nice-to-have“, sondern eine wesentliche Investition in die Zukunftsfähigkeit.
Viele große Player wie Apple oder IBM haben das Potenzial lange erkannt und setzen sich auch dank ihrer barrierefreien Lösungen von der Konkurrenz ab. Man stelle sich nur vor, was im Bezug auf Umsatz eine Verringerung der Absprungrate von 10% bedeuten könnte.
"Barrierefreiheit ist ein entscheidender, aber oft übersehener Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die auf ein inklusives Design setzen, erschließen nicht nur neue Kundensegmente, sondern positionieren sich auch als Branchenführer und stärken ihre Marktpräsenz."
- Daniel Ludes, Director User Experience & Accessibility-Experte bei SHAPE DACH
Welche Herausforderungen haben Menschen mit Dyskalkulie im digitalen Raum?

(Quelle Bild: 7)
Für Menschen mit Dyskalkulie sind Zahlen und mathematische Konzepte ein großes Hindernis. Doch die Herausforderung geht über das reine Verständnis von Zahlen hinaus. Menschen mit Dyskalkulie haben oft keine Vorstellung davon, wie lange „10 Minuten“ sind, und greifen daher auf Vergleiche wie „die Länge von drei Songs“ zurück, um Zeitangaben zu verstehen. Solche Herausforderungen setzen sich bei komplexen Navigationsmenüs mit vielen Zahlen oder Preisen fort, was schnell zu Verwirrung und Frustration führen kann. Letztendlich verlassen Nutzer:innen die Anwendung, wenn sie sich überfordert fühlen.
Ein weiteres Beispiel sind Formulare und Bestellprozesse, die das Eingeben von Zahlen erfordern – z.B. beim Bezahlen oder beim Berechnen von Rabatten. Wenn Zahlen ein zentrales Element der User Journey darstellen, sind Nutzer:innen mit Dyskalkulie oft benachteiligt, wenn diese Zahlen nicht intuitiv, einfach oder visuell unterstützt dargestellt werden.
Wie Du Dyskalkulie in Deine digitale Strategie integrierst.

(Quelle Bild: 8)
Wenn Du Deine digitalen Produkte barrierefrei für Menschen mit Dyskalkulie gestalten möchtest, solltest Du einige Grundprinzipien beachten:
Visuelle Unterstützung:
Nutze Symbole, Farben und visuelle Hilfsmittel, um Zahlen leichter verständlich zu machen. Stelle sicher, dass numerische Informationen durch leicht erkennbare grafische Elemente unterstützt werden. Ein Beispiel: Ein Fortschrittsbalken anstelle eines reinen Prozentsatzes kann für alle Nutzer:innen, insbesondere für solche mit Dyskalkulie, verständlicher sein.
Klare und einfache Sprache:
Vermeide komplexe mathematische Begriffe und Zahlenfolgen. Stattdessen solltest Du eine einfache, klare Sprache verwenden. Erkläre den Nutzen oder das Ergebnis von Rechenvorgängen in Worten, anstatt die Nutzer:innen dazu zu zwingen, selbst zu rechnen. Dies erleichtert nicht nur Menschen mit Dyskalkulie, sondern verbessert die Benutzerfreundlichkeit insgesamt und erhöht so z.B. Deine Abschlussrate.
Konsistente Formatierung:
Halte Dich an einheitliche und vorhersehbare Muster. Menschen mit Dyskalkulie profitieren von konsistent gestalteten Elementen, z. B. gleiche Formate für Telefonnummern oder Währungen. Vermeide unnötige Wechsel in der Darstellung von Zahlen oder Informationen.
Alternativen zu Zahlen:
Wenn möglich, biete Alternativen zu numerischen Informationen an. Beispiel: 4 oder 5 500g Dosen vs. vier oder fünf 500g Dosen.
Der Business-Vorteil: Barrierefreiheit für mehr Loyalität.

(Quelle Bild: 9, 11)
Die Einbindung von Barrierefreiheit (Accessibility) in Deine Produktstrategie ist nicht nur eine ethische Entscheidung – sie bietet auch einen echten wirtschaftlichen Vorteil. Unternehmen, die auf Inklusivität setzen, haben Zugang zu einem größeren Markt. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit Einschränkungen oft eine starke Markenloyalität gegenüber Unternehmen entwickeln, die ihre Bedürfnisse berücksichtigen (Quelle 3, 10).
Darüber hinaus können barrierefreie digitale Produkte rechtlich vorgegeben Vorteile sein. Ab Juni 2025 gelten in Europa neue Barrierefreiheitgesetze (EAA, BFSG), die die digitale Barrierefreiheit für Menschen mit Einschränkungen fordern. Wer frühzeitig barrierefreie Standards integriert, vermeidet nicht nur mögliche rechtliche Probleme, sondern positioniert sich auch als Vorreiter in einer sich wandelnden Unternehmenslandschaft.
Fazit: Digitales Design für alle – der Wettbewerbsvorteil der Zukunft.
In der digitalen Welt haben schon kleine Verbesserungen der User Experience eine große Wirkung – vor allem, wenn es um Accessibility geht. Menschen mit Dyskalkulie sind eine oft übersehene Zielgruppe, deren Bedürfnisse jedoch klar sind: Sie wünschen sich klare, einfache und visuell unterstützte digitale Erlebnisse. Unternehmen, die dies bei der Gestaltung und Konzeption ihrer digitalen Produkte berücksichtigen, schaffen nicht nur inklusive Erlebnisse, sondern sichern sich auch einen Wettbewerbsvorteil.
Indem Du in barrierefreie Lösungen investierst, kannst Du langfristig Deine Reichweite erhöhen, die Kundenzufriedenheit verbessern und gleichzeitig Deine Unternehmenswerte stärken. Immerhin lebt fast jeder zehnte Mensch mit einer Form von Dyskalkulie.
Stelle Dir deshalb gerne einmal die Frage: Ist Deine Webseite oder App schon für alle zugänglich?
Lass uns darüber sprechen! Ob rechtskonformer Quick-Check, barrierefreie Optimierung oder individuelle Beratung – ich stehe Dir als Accessibility-Experte bei SHAPE zur Seite. Schreib mir einfach eine Nachricht!
Daniel Ludes Director User Experience
Daniel entwickelt zusammen mit Kund:innen die Vision eines Produkts oder Dienstleistung und fokussiert die User Experience schon in den ersten Entwicklungsphasen.

Facts & Figures
1. Jeder zehnte Mensch lebt mit einer Form von Dyskalkulie
In den USA leben schätzungsweise 33 Millionen potentielle Konsumenten mit Dyskalkulie. In der EU 45 Millionen und in Deutschland 8 Millionen. (Basierende auf Quelle 1,2)
2. Menschen mit Dyskalkulie haben Schwierigkeiten mit folgenden Dingen:
Zahlen, Zeit, Rechnen, Messen, Zählen, Gedächtnis. (Quelle 7)
3. Barrierefreiheit führt zu Vertrauen, Vertrauen zu Loyalität, Loyalität zu Gewinn.
(Quelle 9, 11)
4. Online-Einkaufsmacht von Menschen mit Einschränkungen
In Großbritannien beträgt die Kaufkraft von Menschen mit Behinderungen im Internet, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, 24,8 Milliarden Pfund jährlich. (Quelle 3)
5. Abbruchrate bei nicht barrierefreien Webseiten
Mehr als 70 % der Nutzer:innen mit Behinderungen verlassen eine Website, wenn sie auf Barrieren stoßen. Dies führt zu erheblichen Umsatzeinbußen. (Quelle 3)
6. Weltweite Wirtschaftskraft von Menschen mit Einschränkungen
Weltweit verfügen Menschen mit Behinderungen über eine kombinierte Kaufkraft von 8 Billionen US-Dollar - World Economy Forum (Quelle 15)
7. Anteil der Bevölkerung mit Einschränkungen
Etwa 15 % der Weltbevölkerung, also über 1 Milliarde Menschen, leben mit einer Behinderung. Die meisten von ihnen stoßen im digitalen Raum auf Barrieren. (Quelle 12)
8. Wirtschaftliche Verluste durch Inaccessibility
Laut Schätzungen verliert der Einzelhandel in den USA jährlich 6,9 Milliarden US-Dollar an Umsätzen, weil ihre Webseiten nicht barrierefrei sind. (Quelle 16)
9. Verbesserte Nutzererfahrung reduziert Supportkosten
Unternehmen, die ihre Websites in einfacher Sprache gestalten, haben bis zu 50 % weniger Supportanfragen, da die Inhalte klarer und verständlicher sind. (Quelle 14)
10. Zunehmende Relevanz der älteren Zielgruppe
Die Zahl der Menschen im Alter von über 60 Jahren liegt bei über 1 Milliarde weltweit, und viele von ihnen sind finanziell gut aufgestellt und gesund. (Quelle 13)
11. Anstieg der Barrierefreiheit-Klagen
Im Jahr 2022 gab es in den USA über 4.000 Klagen wegen Verstößen gegen die Barrierefreiheit im Web, was zeigt, dass Accessibility inzwischen nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Notwendigkeit ist. (Quelle 17)
12. Rendite auf Investitionen in Barrierefreiheit
Unternehmen, die in Barrierefreiheit investieren, erleben eine Rendite von bis zu 25% durch eine verbesserte Kundenbindung und höhere Markentreue. (Quelle 4)
Quellen
1. The Treetop
6. tiny|blog
7. Warwick International Higher Education Academy
9. The Four Factors of Trust (Deloitte)
10. The future of customer loyalty report (Talksdesk)
11. How Accessibility Can Boost Customer Satisfaction and Retention
12. World Health Organization (WHO)
13. United Nations – World Population Ageing
16. WebAIM
Über SHAPE
SHAPE steht für wegweisende Lösungen und strategische Beratung in der digitalen Transformation. Mit 12 Jahren Erfahrung und einem Team von 140 Talenten an sechs Standorten in Deutschland, der Schweiz und Kroatien bietet SHAPE umfassende Services in den Bereichen Innovationsstrategie, Produkt- und Service-Design sowie maßgeschneiderte Softwarelösungen. Das mehrfach ausgezeichnete und zertifizierte Unternehmen ist Teil der internationalen MYTY Gruppe.